ZUM 85. GEBURTSTAG

Es ist mir eine große Freude, dem Künstler Bertram Castell in vorliegendem Jubiläumskatalog anlässlich seines 85. Geburtstages meine Reverenz zu erweisen. Castell hat sein Leben mit äußerster Konsequenz seiner Kunst gewidmet. Der 1932 in Berlin geborene und dort aufgewachsene Künstler ging 1963 nach Wien, wo er von Herbert Boeckl in die Akademie der bildenden Künste aufgenommen wurde. Neben Boeckl wurde für ihn auch Fritz Wotruba zum prägenden Lehrer.

Bertram Castell, auf den die expressionistische und abstrakte Kunst, die er in den ersten Ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg sah, als künstlerische Initialzündung wirkten, fiel in den 1960er- und 1970er-Jahren vor allem durch seine minutiös mit dem Kugelschreiber gezeichneten grafischen Arbeiten auf, in denen er figurale und abstrakte Elemente kombinierte. Im Laufe seines langen künstlerischen Schaffens hat Castell eine spannende Entwicklung durchgemacht. In der produktiven Atmosphäre seiner Ateliers in Wien und im Waldviertel (im niederösterreichischen Weinsberg) hat er seine Kunst konsequent weiter entwickelt. Seine Werke sind immer freier geworden. Immer dynamischer und großzügiger hat er seine Pinselstriche auf die Leinwand gesetzt, Formen aufgelöst und das Gestische und Texturale ins Zentrum der Arbeit gerückt. Die visuellen Stimuli der ihn umgebenden Natur hat er dabei nie aus dem Auge verloren. Im Gegenteil, er scheint auf seiner Spurensuche durch die immer freieren Pinselstriche immer tiefer in das Wesentliche vorzudringen.

Besonders spannend empfinde ich dabei auch die Holzarbeiten der letzten Jahre. Castell hat sich in gewissem Sinne in aller Stille zum abstrakt-expressiven Informelmaler gewandelt, wie auch seine Arbeiten in der Ausstellung nature brut (17. März bis 9. April 2017) mit den „neuen“ Parzern in der Galerie Schloss Puchheim in der Nähe von Wels gezeigt haben.

Bertram Castell war seit den 1960er-Jahren Mitglied der Künstlergruppe Künstlerzentrum Schloss Parz, die über 30 Jahre zu den wichtigsten Kunstinitiativen Österreichs gehörte. Mit ihren jährlichen Gruppen-Ausstellungen (ab 1964), den legendären Parz-Kontakten, setzte die Gruppe rund um das Künstlerpaar Charlotte Buck und Hans Hoffmann-Ybbs unübersehbare Impulse in der (ober)österreichischen Kunstszene. Peter Baum, der langjährige Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz (1974–2004) und 2003 Gründungsdirektor des LENTOS Kunstmuseum Linz, gehörte zu den Förderern der Parzer. Castell reiste regelmäßig von Wien an, um an den Ausstellungen teilzunehmen.

Nach einem Besitzerwechsel des Schlosses und dem Ableben von Hoffmann-Ybbs (2005) und Buck (2006) gründeten die ehemaligen Parzer rund um den Künstler sowie emeritierten Professor und Rektor der Linzer Kunstuniversität Wolfgang Stifter 2008 erneut den Verein Künstlerzentrum Schloss Parz (2012 umbenannt in Künstlergruppe Parz). Auch ohne die Verortung in Schloss Parz wurden seitdem im Sinne von Buck und Hoffmann-Ybbs Ausstellungsprojekte im In- und Ausland umgesetzt. Auch Bertram Castell nimmt an den Ausstellungen der „neuen“ Parzer regelmäßig teil.

In diesem Sinne wünsche ich ihm noch viele weitere erfolgreiche Ausstellungen im In- und Ausland und die öffentliche Anerkennung, die sein künstlerisches Werk verdient.

Agnes Husslein-Arco