Malerei und Zeichnung dominieren das Werk von Bertram Castell. Sie tun dies im ursprünglichen, autonomen, der Kunst und ihrem Verwandlungsprozess verpflichteten Sinn, der die ästhetischen und illusionistischen Qualitäten der orthodoxen Verfahren freizügig und ausreichend bestimmt zu nützen versteht. Castells Arbeiten – meist mittleren Formats – bekennen sich an den Schnittstellen postexpressionistischer Bildfindung und informeller Gestik seit Jahrzehnten zu gleichbleibenden Grundlagen, die aus der vielfältig genützten Wechselwirkung von Zeichnung und Malerei, von Strich und Fläche, eine Symbiose eingehen, deren Dualität und schöpferisches Potenzial das Bildverständnis des Künstlers in unabdingbarer Nähe zur Natur ebenso bestätigt wie dessen impulsive, zur Improvisation neigende Handschrift.
Die Liebe zur Natur als Kosmos unerschöpflicher Eindrücke und Anregungen begleitet Bertram Castell seit seiner Kindheit und Jugend. Ohne regelmäßige Streifzüge und Wanderungen im Wald, die für ihn zur Lebensnotwendigkeit wurden und immerwährenden Erkenntnisgewinn bedeuten, hätte sein künstlerisches Durchhaltevermögen schon längst geendet oder gravierende Einbußen erlitten.
Und so wie sich Natur, Wiese und Wald jedes Jahr im Werden und Wandel von Jahres- und Tageszeiten ihrer Bestimmung gemäß in neuem Gewand zeigen, erobert auch der schnelle, geübte Duktus des Künstlers in überschaubaren Abschnitten neues Terrain und weiterführende Anknüpfungspunkte. Bertram Castell bedient sich dabei in Hoch- und Querformat einer in Etappen und Werkgruppen wechselnden, formal spannungsgeladenen, beschleunigten Malweise: mitunter auf wenige Zeichen oder frei assoziierbare Abbreviaturen beschränkt, in windiger Tektonik und heller, leuchtender Farbigkeit flächig verteilt, wechselnd zwischen farbiger Kompaktheit und feinsinnigen Strichgefügen.
Peter Baum, 2017